Emma lernt mit der Hilfe eines Bildschirmlesegeräts. Damit kann sie Wörter so vergrößern, dass sie sie lesen kann. Foto: SCRIPT

Wie lernen Kinder, die nicht gut sehen?

19. Oktober 2022

In Luxemburg gibt es ein Kompetenzzentrum, das Kinder mit einer Sehbeeinträchtigung beim Lernen unterstützt – Emma und Ruben besuchen dieses Zentrum einmal pro Woche – De Piwitsch hat sie gefragt, was sie dort alles lernen. 

Emma zeigt dem Reporter vom Piwitsch, wie sie mit ihrem Bildschirmlesegerät arbeitet. Foto: SCRIPT

Emma hat einen großen Bildschirm vor sich. Aber eigentlich ist es eine elektronische Lupe, die man „Bildschirmlesegerät“ nennt. Mit Hilfe dieses Geräts kann sie Texte und Bilder, zum Beispiel aus ihren Schulbüchern, vergrößern. Sie benutzt das Bildschirmlesegerät zum Lesen und zum Schreiben. Auch Ruben hat so ein Bildschirmlesegerät. Beide haben aber auch ein Tablet, mit dem sie zum Beispiel schnell Verben oder Vokabeln nachschlagen können. Sie haben ihre angepassten Schulbücher auf dem Tablet und können sie sich auch nach Bedarf vergrößern oder sogar vom Tablet vorlesen lassen. 

De Piwitsch hat Emma und Ruben an einem Donnerstagnachmittag im „Centre pour le Développement des compétences relatives à la Vue“ (CDV) getroffen. Das ist eine Schule des Erziehungsministeriums, von der etwa 350 Schülerinnen und Schüler mit einer Sehbeeinträchtigung unterstützt werden, zum Beispiel beim Erlernen des Umgangs mit spezifischen Hilfsmitteln. 

Drücke auf den Pfeil, um dir die Interviews mit Emma und Ruben anzuhören.

Bildschirmlesegeräte und Tablets als Hilfsmittel

Emma und Ruben können hier aber auch lernen, wie sie schneller auf einer Tastatur tippen können. Sie lernen hier das sogenannte „Zehnfingersystem“ – also mit zehn Fingern tippen zu können. Das hilft ihnen nämlich, sich – ruckzuck – Notizen zu machen, ohne dass sie die Buchstaben auf der Tastatur suchen müssen. 

Emma und Ruben sind aber nur Donnerstagnachmittags im CDV. Den Rest der Woche besuchen sie ihre lokale Regelschule und lernen dort zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Im Klassensaal ist ihr Bildschirmlesegerät zusätzlich mit einer Kamera ausgestattet, damit sie vergrößern können, was die Lehrerin oder der Lehrer an die Tafel schreibt. 

Ruben erklärt dem Reporter vom Piwitsch wie er sein Tablet benutzt, um besser lesen zu können. Foto: SCRIPT

Wären sie vor einigen Jahrzehnten zur Schule gegangen, wären sie ausschließlich mit anderen Kindern mit einer Sehbeeinträchtigung in einer Klasse gewesen. Sie hätten vielleicht manchmal weit fahren müssen, um in diese Klasse zu kommen, weil es nur eine einzige in ganz Luxemburg gab. 

Braille und 3D-Modelle

Heute können sie mit der Unterstützung des CDV am regulären Unterricht teilnehmen. Das CDV hat 90 Mitarbeiter in 20 verschiedenen Berufen. Alle sind stets bemüht darum, dass Kinder und Erwachsene mit einer Sehbeeinträchtigung ihren Alltag und Schulalltag soweit wie möglich selbst bewältigen können. 

Im CDV werden zum Beispiel Schulbücher und andere Dokumente so angepasst, dass man sie auf einem Tablet vergrößern, sie sich anhören oder mit einer Braillezeile lesen kann. Was Braille und auch eine Braillezeile ist, erfährst du im gelben Artikel etwas weiter unten.

Das „Centre pour le Développement des compétences relatives à la Vue“ hat 2021 dieses Video drehen lassen. Hier geben Guy, Noémie, Caecilia, Silvia, Claude und Diego einen kleinen Einblick in ihren Alltag. Sie alle haben eine Sehbeeinträchtigung. Quelle: CDV

Spannend ist auch, dass in dieser Schule 3D-Modelle von Tieren, Gebäuden, Maschinen, Organen oder Landschaften hergestellt werden. Dies sind oft Objekte, die zu groß – zum Beispiel ein Berg -, zu klein – zum Beispiel Mikroben zum oder zu gefährlich – zum Beispiel ein Tiger – zum Anfassen sind. Personen mit einer Sehbeeinträchtigung oder mit Blindheit können diese Modelle dann in die Hände nehmen und die verschiedenen Teile ertasten. So verstehen sie besser, wie ein Objekt aufgebaut ist. 

Im CDV lernen sie auch, wie sie mit einem Computer arbeiten können, wie sie mit dem Blindenstock gehen oder wie sie den öffentlichen Transport benutzen und sich auf der Straße sicher bewegen können. Außerdem gibt es Kurse für alle Fertigkeiten, die man im Alltag so braucht. Wie zum Beispiel Getränke in ein Glas oder in eine Tasse schütten, ohne dass die überlaufen. Wenn man nicht oder nicht gut sehen kann, können solche Aufgaben nämlich schwieriger zu erledigen sein, als wenn die Augen gut funktionieren. 

Braille-Schrift und Braillezeile

Braille: so wird die Schrift genannt, die Personen mit einer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit mit ihren Fingern erfühlen beziehungsweise lesen können. Diese Schrift wird auch noch „Punktschrift“ genannt. Die verschiedenen Punkte werden auf Papier geprägt, diese Aufgabe übernimmt der Brailledrucker. Die Person mit einer Sehbeeinträchtigung kann dann mit den Fingern über die hervorstehenden Punkte tasten. Wenn er ein „a“ liest, spürt er nur einen einzelnen Punkt. Bei einem „b“ sind es zwei übereinanderstehende Punkte. Bei einem „c“ zwei Punkte die nebeneinanderstehen – und so weiter.

Jeder der 26 Buchstaben des Alphabets hat eine eigene Punkteanordnung in der Braille-Schrift. Das gleiche gilt für jede Zahl und für Punktuationszeichen wie ein Punkt, ein Doppelpunkt oder ein Komma.

So sieht eine Braillezeile aus. Ein Computer übersetzt die Buchstaben aus einem normalen Text in Blindenschrift. Foto: CDV

Eine Braillezeile ist ein Gerät, das mit einem Computer oder mit einem Laptop verbunden wird. So wird der Person mit Sehbeeinträchtigung oder Blindheit in einer Zeile in Braille taktil angezeigt, was auf dem Bildschirm steht. Taktil heißt, dass sie die Braille-Zeichen erkennen kann, indem sie mit seinen Fingern darüberstreicht.  So können auch Menschen mit einer starken Sehbeeinträchtigung oder mit Blindheit mit dem Computer arbeiten. 

Ein blinder Junge erfindet eine neue Schrift

Hier kannst du die Braille-Punkteschrift sehen und ihren Erfinder Louis Braille, der von 1809 bis 1853 in Frankreich lebte. Er erblindete im Alter von drei Jahren durch einen Unfall in der Werkstatt seines Vaters. Quelle: CDV/Public Domain

Der Erfinder dieser Schrift hieß Louis Braille und erfand die Braille-Schrift vor etwa 200 Jahren. Louis Braille lebte in Frankreich und hatte mit drei Jahren einen Unfall in der Werkstatt seines Vaters. Durch diesen Unfall erblindete er mit fünf Jahren. Später kam er in eine Blindenschule, wo er schon als kleiner Junge von Ideen für Blindenschriften erfuhr. Er tüftelte daran, diese Systeme zu verbessern und schaffte es, dass seine eigene Blindenschrift in ganz Frankreich anerkannt wurde. Seither hat sie sich in der ganzen Welt verbreitet. 

Wenn du mehr über die Braille-Schrift erfahren möchtest, kannst du dir das Dokument unten anschauen.

Mehr Artikel über das Sehen

Dieser Artikel über das „Centre pour le Développement des compétences relatives à la Vue“ ist Teil einer Reihe von Artikeln im Rahmen des Internationalen Tages des Sehens, der jedes Jahr am 13. Oktober stattfindet. Dieser Tag soll auf die Schwierigkeiten von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung aufmerksam machen und den Menschen auch zeigen, was sie tun können, um ihre Augen zu pflegen. In diesem Artikel ist erklärt, wie Augen funktionieren. Und hier findest du einen spannenden Artikel über Blindenhunde.

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