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Dampflok Stéphanie unter der Lupe

01. September 2022

In Fond-de-Gras gibt es einen ganz besonderen Bahnhof. De Piwitsch hat ihn besucht.  

Stéphanie pfeift laut. Dann faucht sie und … dampft los. Ihr habt es erraten: Stéphanie ist keine Person und auch kein Tier, sondern eine Dampflokomotive. Genauer gesagt, eine der vielen alten Dampf- und Diesellokomotiven, die in Fond-de-Gras vom Verein AMTF Train 1900 gehegt und gepflegt werden. Zwischen dem 1. Mai und Ende September fahren einige der Loks – das ist die Abkürzung für Lokomotiven – an Sonntagen zwischen Fond-de-Gras und Petingen hin und her.

Die Lok Stéphanie am Bahnhof Fond-de-Gras. Videos: SCRIPT

Sechs Jahre harte Arbeit

Die älteste Dampflokomotive in Fond-de-Gras stammt aus dem Jahr 1891. Die Lok Stéphanie wurde 2022 110 Jahre alt. Aber warum trägt sie eigentlich diesen Namen? Das hat damit zu tun, dass der Verein 2020 seinen fünfzigsten Geburtstag feiern wollte. Doch das fiel wegen der Covid-19-Pandemie ins Wasser. So kamen die Verantwortlichen auf die Idee die Lok, die eigentlich „Arbed Esch Nummer 5“ heißt, weil sie früher für die Stahlfirma Arbed fuhr, zu taufen. Sechs Jahre lang haben die Leute des Vereins an der Lokomotive gearbeitet, um sie wieder fahrtüchtig zu machen. Ihre erste Fahrt sollte ein ganz besonderes Ereignis werden und die Lok sollte einen Namen bekommen.

Aber wen sollte man fragen? Der Verein beschloss, Erbgroßherzogin Stéphanie darum zu bitten, die historische Lok auf ihren Namen zu taufen. Und sie sagte zu! 

Bis heute kann man an der Dampflokomotive das Erinnerungsschild lesen, auf dem steht, dass Erbgroßherzogin Stéphanie sie am 31. April 2021 getauft hat.

Bis heute kann man auf der Lok mit dem Namen Stéphanie eine Erinnerung an die Taufe der Lok sehen. Foto: SCRIPT

Rahmen – Triebwerk – Kessel

De Piwitsch konnte sich diese Lok, die mehr als 40 Autos wiegt, genauer ansehen. Christophe Görtz vom Verein AMTF Train 1900 und sich von klein auf für Lokomotiven begeistert hat der Reporterin und dem Reporter vom Piwitsch gezeigt, wie die Lok funktioniert. Sie besteht im Grunde aus drei Teilen: einem Rahmen, einem Triebwerk und einem Kessel, in dem die Kraft produziert wird, um die ganze Lok anzutreiben. Der Kessel beinhaltet einen Ofen und einen Hohlraum, in dem Wasser gekocht wird und eine Rauchkammer ganz vorne an der Lok. 

Auf ihr sitzt ein Schornstein, aus dem der Dampf pustet. Wenn eine Dampflok vorbeifährt, siehst du manchmal schwarzen oder weißen Dampf aus dem Schornstein qualmen. Der schwarze Dampf wird ausgestoßen, wenn Leute Steinkohle in den Ofen schippen. Der weiße Dampf ist Wasserdampf, der durch die Hitze des Ofens im mit Wasser gefüllten Kessel der Lok entsteht. Manchmal vermischen sich die verschiedenen Dämpfe auch. Aber bevor der Wasserdampf entweicht, treibt er einen Kolben an, der wiederum die Räder der Lokomotive antreibt, die daraufhin fährt. 

Eine ziemlich komplizierte Maschine

Klingt einfach. Aber eine Lokomotive ist schon eine ziemlich komplizierte Maschine. Wenn man im Führerstand steht, sieht man eine Menge Hebel, Ventile, Rohre und Instrumente, die zum Beispiel den Druck im Kessel messen. Wenn die Lok mehr Kraft braucht, zum Beispiel um bergauf zu fahren, oder wenn sie Waggons ziehen muss, muss dafür gesorgt werden, dass der Druck konstant bleibt und die Heizerin oder der Heizer – so nennt man die Person, die für das Anfachen und das Schüren der Feuers zuständig ist – muss ständig Kohle in den Ofen schaufeln. 

Im Fahrstand der Lok. Durch die rechteckigen Instrumente kann man den Wasserstand im Kessel sehen. Mehrere Uhren zeigen den Druck an. Mit dem großen Hebel vorne, kann die Lokführerin oder der Lokführer die Geschwindigkeit der Lok ändern. Alle Instrumente gibt es zur Sicherheit doppelt: Wenn eins ausfällt, kann man immer noch das andere benutzen. Foto: SCRIPT
Die Kohle wird aus dieser Öffnung (links) in den Ofen geschaufelt. Foto: SCRIPT

Neben der Heizerin oder dem Heizer ist der Lokführer oder die Lokführerin für die Steuerung verantwortlich. Ein Lenkrad gibt es nicht, da die Lok auf Schienen fährt. Sie müssen allerdings genau wissen, wann schneller gefahren oder gebremst werden muss.

Mit diesen Hebeln werden Lok und Zug gebremst. Als die Lok Stéphanie 1912 zum ersten Mal lief, gab es diese Bremsen nicht. Damit sie heute sicher auf den Gleisen fahren kann, musste die Lok etwas umgerüstet werden. Foto: SCRIPT
Auf diesem Lineal kann die Lokführerin oder der Lokführer ablesen, mit wieviel Kraft die Lok fährt. Foto: SCRIPT

Wasser und Steinkohle tanken

Aber bevor Lok Stéphanie überhaupt losfahren kann, muss sie erst einmal mit Wasser betankt werden. Fünf Kubikmeter passen in ihren Tank. Das ist so viel wie in 5.000 Wasserflaschen. In Fond-de-Gras gibt es mehrere riesige Wasserhähne, mit denen die Lok immer wieder befüllt werden kann.

Mit solchen Wasserhähnen werden die Dampfloks in Fond-de-Gras befüllt Foto: SCRIPT

Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass sie genügend Kohle an Bord hat. Wenn Stéphanie einen Sonntag lang unterwegs ist, wird sie rund eineinhalb Tonnen Kohle verbraucht haben, also etwa so viel, wie ein Auto wiegt. 

Die Steinkohle wird mit einem Kran an Bord der Lok gehoben. Foto: SCRIPT

Es dauert ziemlich lange, bis die Dampfmaschine die richtige Temperatur erreicht hat, nämlich viereinhalb Stunden zwischen dem Anfachen des Feuers wird und dem Moment, an dem Lok Stéphanie bereit zur Abfahrt ist.

Besonders auf das Wasser achten

Wenn sie voll im Betrieb ist, müssen die Leute im Führerstand vor allem auf eines achten: dass immer genügend Wasser im Tank ist. Denn sonst würde sich die Decke des Ofens so stark erhitzen, dass er schmelzen und Wasser hinein strömen würde. Das wäre eine Katastrophe, denn der Druck im Kessel würde im schlimmsten Fall plötzlich so hoch werden, dass er explodieren könnte. Der Ofen kann bis zu 1.500 Grad heiß werden. 1.535 Grad ist übrigens die Schmelztemperatur des Eisens.

Ein Blick in den Ofen. Die Asche unten muss vor jeder Fahrt entfernt werden. Denn es muss genügend Luft in den Ofen gezogen werden, damit die Kohle richtig brennt. Wenn der Ofen unten verstopft, erreicht er nicht die richtige Temperatur. Foto: SCRIPT

Lokführer oder -führerinnen kennen ihre Damploks in- und auswendig und bevor sie sie bedienen können, müssen sie eine Menge Prüfungen geschafft haben. Aber auch die Lokomotiven selbst müssen regelmäßig geprüft werden. Sie werden vor jeder Fahrt kontrolliert, vor allem, um zu schauen, ob nirgends Wasser rausläuft oder Schrauben locker sind. 

Fünf Jahre, um alles auf Herz und Nieren zu prüfen

Alle vier bis fünf Jahre steht eine große Wartung an. Dann wird ganz im Detail geprüft, ob der Kessel den notwendigen Druck für den Betrieb noch aushält. Um dies zu kontrollieren, muss die Lok regelrecht in ihre Einzelteile auseinandergebaut werden. Und das braucht Zeit! Ganze fünf Jahre brauchen die freiwilligen Mitglieder des Vereins AMTF um eine ihrer Loks auf Herz und Nieren zu prüfen. Man darf nicht vergessen, dass viele Teile über 100 Jahre alt sind. 

Im Schuppen des Vereins AMTF stehen eine Menge Loks und anderes Bahnmaterial. Foto: SCRIPT
Die schwerste Lok wiegt 60 Tonnen und muss noch restauriert werden. Foto: SCRIPT

Die Bescheinigung, dass eine Dampflokomotive überhaupt fahrtüchtig ist, erteilt ein Prüfunternehmen namens Luxcontrol. Damit man mit der Lok auf Schienen fahren darf, auf denen auch andere Züge fahren, muss die nationale Eisenbahngesellschaft CFL ihre Erlaubnis erteilen.

Stéphanie muss 2023 zur großen Kontrolle

Für Lok Stéphanie steht die nächste große Kontrolle 2023 an. Sie wird dann durch eine andere Lokomotive ersetzt, die jetzt schon fit gemacht wird für ihren Einsatz.

Auch viele weitere historische Maschinen warten darauf, wieder auf der Schiene fahren zu können. Denn in Fond-de-Gras siehst du nicht nur Loks, sondern auch Waggons, Kräne und eine Menge Einsatzgeräte aus vergangenen Zeiten. Dem Verein AMTF geht die Arbeit jedenfalls nicht aus. Er freut sich übrigens, wenn sich Leute melden, die gerne bei dieser Arbeit helfen!

Geschichte erhalten

Es war eine Gruppe von Studierenden, die 1969 beschloss, sich dafür einzusetzen, um den damals schon geschlossene Bahnhof in Fond-de-Gras und die letzten Dampflokomotiven im Süden Luxemburgs zu erhalten. Am 10. Juli 1970 gründeten sie deshalb den Verein „Association des Musées et Tourisme Ferroviaire“, also Verein der Eisenbahnmuseen und des Eisenbahntourismus.

Mit der Lok 8 begann die Sammlung des Vereins AMTF Train 1900. Foto: SCRIPT

Die erste Dampflok schenkte ihnen 1973 die Stahlfirma Arbed. Sie fuhr zwischen den Stahlwerken in Differdingen, trug die Nummer 8 und war im Jahr 1900 gebaut worden. Deshalb wurde der Verein später AMTF Train 1900 asbl genannt. „Train“ heißt Zug auf Deutsch und wenn man mit den Zügen des Vereins mitfährt, ist tatsächlich noch alles so, wie aus der Zeit um 1900. Deshalb werden die Züge auch oft als Kulissen benutzt, um Filme zu drehen, deren Handlung in dieser Zeit spielt. Auf der Webseite www.train1900.lu findest du viele Informationen über den Verein, aber auch über den Fond-de-Gras und die vielen Maschinen, die dort gepflegt werden

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