Jedes Kabel ist wichtig

17. April 2023

Raoul Roller lernt gerade den Beruf des Avionikers – Er geht sicher, dass die Elektronik bei Flugzeugen reibungslos funktioniert – De Piwitsch hat ihn an seinem Arbeitsplatz bei Cargolux getroffen. 

Mehr als sechs Millionen Teile hat das riesige Transportflugzeug vom Typ Boeing 747-400. Über 270 Kilometer Kabel – das ist länger als eine Autofahrt von Luxemburg nach Brüssel – sind darin verbaut sowie acht Kilometer Rohre. Flugzeugmechanikerinnen und -mechaniker sorgen dafür, dass das alles richtig funktioniert.

Auf dem Bild siehst du einen Flugzeugmotor. Überall sind Kabel, Rohre, Schrauben und andere Teile. Ein Boeing-Frachtflugzeug hat vier solcher Motoren. Foto: SCRIPT

Durch ihre Arbeit tragen sie eine riesige Verantwortung, denn wenn es technische Probleme an einem Flugzeug gibt, kann es einen schlimmen Unfall geben. Die luxemburgische Frachtfluggesellschaft Cargolux betreibt 30 solcher Boeing 747. Du kannst dir sicher vorstellen, dass die Spezialistinnen und Spezialisten der Flugzeugwartung alle Hände voll zu tun haben. Das Unternehmen sucht auch dauernd nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Bereich und bildet junge Leute dafür aus.

Einer von ihnen ist Raoul Roller, der gerade seine Ausbildung zum Avioniker abschließt, so dass er ab dem Sommer an den echten Cargolux-Flugzeugen arbeiten darf.

Avioniker wie Raoul sind Fachleute, die sich besonders mit der Stromversorgung und der Elektronik in Flugzeugen auskennen. Sie arbeiten Hand in Hand mit den Flugzeugmechanikerinnen und Flugzeugmechanikern, die sich vielmehr um die Flugzeugmotoren und alle anderen Teile eines Flugzeugs kümmern. Aber Raoul muss natürlich auch genau wissen, welche elektrischen Impulse welche Teile bewegen. An seinem Ausbildungsplatz haben wir ihn zu seinem Beruf befragt. 

Warst du schon immer an der Elektronik interessiert?

Raoul Roller Nicht immer, aber schon ganz lange. Ich hatte im 5. Schuljahr ein Erlebnis, das mich prägte, nämlich einen Klassenbesuch im Tudor-Museum in Rosport. Die Ausstellung über Elektrizität und Batterien hat mich sehr interessiert. Von diesem Moment an wollte ich beruflich etwas mit Strom machen. Deshalb habe ich ein technisches Lyzeum besucht und meinen Abschluss als Elektrotechniker gemacht. 

Raoul bei einem typischen Werkzeugkasten, der bei den Flugzeugchecks in den Einsatz kommt. Jedes Werkzeug muss nach Gebrauch immer an seinem Platz sein. Wenn ein Werkzeug verloren geht, kann das dazu führen, dass ein ganzes Flugzeug auseinander genommen werden muss. Denn das verlorene Werkzeug könnte einen Unfall verursachen. Foto: SCRIPT

Hast du auch Praktika in Firmen gemacht und wie kamst du zu Cargolux?

Raoul Roller Als ich alt genug dafür war, habe ich im Sommer Praktika bei einer Firma für Schaltanlagen gemacht und dann bei dem Unternehmen, das das Stromnetz in Luxemburg verwaltet. Zur Cargolux bin ich gekommen, weil ein Bekannter mir sagte, dass hier Auszubildende gesucht werden. Flugzeuge habe ich immer wieder beobachtet und mich gefragt, wie diese riesigen Maschinen fliegen können. 

Wie läuft die Ausbildung zum Avioniker ab?

Raoul Roller Die Ausbildung dauert zwei Jahre. Im ersten Jahr arbeitet man donnerstags im Ausbildungsbetrieb und geht den Rest der Woche zur Schule. Da lernt man vor allem Physik, Mathe, Aerodynamik und Materialwissenschaften. Denn an Flugzeugen sind eine Menge Materialien verbaut: Stahl, Aluminium, aber auch Glas- und Karbonfasern zum Beispiel.

Der Entwurf und der Bau von elektrischen Vorrichtungen gehört zur Ausbildung der Avioniker. Foto: SCRIPT

Es ist wichtig zu wissen, wie man diese Materialien richtig bearbeitet. Man lernt auch, wie man sich am Arbeitsplatz verhalten muss und wie man die verschiedenen Werkzeuge einsetzt. Im ersten Jahr bekommt man die Grundlagen und im zweiten Jahr arbeitet man schon spezifischer im Flugzeugbereich. Da stehen Hydraulik, elektrische Systeme und Computer auf dem Programm, aber auch Teamarbeit zum Beispiel und Gesetze. Im zweiten Ausbildungsjahr arbeitet man dann auch zwei Tage die Woche im Unternehmen und geht drei Tage zur Schule.

Du hast deine Prüfungen jetzt fast alle bestanden. Darfst du denn jetzt an den großen Cargolux-Maschinen arbeiten?

Raoul Roller Im Sommer werde ich meine erste Schicht als „Trainee“ leisten. Ich darf aber nur unter der Aufsicht einer qualifizierten Fachkraft arbeiten. Alles, was ich tue wird von ihr kontrolliert. Die qualifizierte Fachkraft wird wiederum von einer Inspektorin oder einem Inspektor kontrolliert. Falls es sich um ein sehr wichtiges System handelt, wird die Inspektorin oder der Inspektor wiederum von anderen Inspektorinnen und Inspektoren kontrolliert, die nicht an den Arbeiten teilgenommen haben.

Jeder Arbeitsschritt, jedes Teil und jedes Problem muss sauber dokumentiert werden, damit man genau weiß, was am Flugzeug gemacht wurde. Raoul zeigt einige der Zettel, die von den Fachleuten ausgefüllt werden müssen, die am Flugzeug arbeiten. Foto: SCRIPT

Alles, was an einem Flugzeug kontrolliert, repariert oder verändert wird, muss ganz genau schriftlich festgehalten werden und jeder, der an einem Flugzeug arbeitet, muss seinen persönlichen Stempel neben den Eintrag setzen. So weiß immer jeder, wer zu welchem Zeitpunkt an welchem Teil des Flugzeugs gearbeitet hat. Erst wenn ich drei Jahre Berufserfahrung habe, darf ich eine „Aircraft Maintenance Licence“ (AML) beantragen, mit der ich unter meiner eigenen Verantwortung an den Cargolux-Boeings arbeiten darf. Meine zweijährige Ausbildung gilt als ein Jahr Berufserfahrung. 

Was passiert, wenn ein Teil kaputt ist?

Raoul Roller Dann muss man es ausbauen und im Lager ein Neues anfordern, es ersetzen und testen, ob es auch funktioniert. Auch hier muss ganz genau aufgeschrieben werden, was mit dem Teil passiert. 

Ein Cargolux-Flugzeug wird zur Wartung in den Hangar gezogen. Foto: Cargolux

Ist egal, in welcher Sprache man das dann aufschreibt?

Raoul Roller Nein, es muss immer Englisch sein. Denn Englisch ist die Sprache der Luftfahrt auf der ganzen Welt. Diese Sprache muss man schon ganz gut können, wenn man in dem Bereich arbeiten möchte. Man lernt die Fachausdrücke auf Englisch für die verschiedenen Flugzeugteile nach und nach.

Was noch besonders in den technischen Berufen im Luftfahrtbereich ist, sind die Maße. Ob Entfernungen, Geschwindigkeiten, Höhen oder Kabel- und Schraubendicken: Sie sind alle in englisch-amerikanischen Maßen angegeben. Daran muss man sich gewöhnen und die Maße manchmal schnell im Kopf umrechnen.

Eine Boeing 747 besteht aus Millionen Teilen. Musst du die alle auswendig kennen?

Raoul Roller Puuuh, das wäre ganz schön anstrengend. Da hätte ich den Kopf ja nicht frei für andere Dinge. Zum Glück haben wir einen digitalen Katalog, in dem wir alle Teile nachschlagen können. Da sehen wir nicht nur, wie sie aufgebaut sind, sondern auch, worauf man beim Umgang mit ihnen genau aufpassen muss.

Die Fahrwerke von Flugzeugen sind riesigen Belastungen ausgesetzt, deshalb müssen auch sie ständig kontrolliert werden. Foto: SCRIPT

Alle paar zehntausend Kilometer muss ein Auto zu einer längeren Wartung. Ist das bei einer Boeing 747 auch so?

Raoul Roller Ja. Es gibt verschiedene Checks. Beim sogenannten D-Check, den die Cargolux-Boeings alle acht Jahre durchlaufen müssen, werden die Flugzeuge komplett auseinandergenommen und jedes Teil überprüft. Die Checks werden lange im Voraus geplant. 

Und wer plant deinen Berufsalltag?

Raoul Roller Noch bin ich ja in der Ausbildung, so dass es derzeit mein Chef-Ausbilder ist. Jeder von uns hat eine Arbeitsstation, an der wir verschiedene Projekte verwirklichen müssen. Wir haben auch zwei große Flugzeugmotoren, an denen wir verschiedene Arbeiten verrichten. Da sehr viele Fachleute an einem Flugzeug arbeiten ist es sehr wichtig, dass wir auch lernen, miteinander gut und deutlich zu kommunizieren.

Hier im großen Hangar der Cargolux wird Raoul ab dem Sommer arbeiten. Foto: Cargolux

Wenn ich später im Schichtbetrieb arbeite, muss das alles klappen, denn jeder muss sich auf jeden verlassen können. Dann bekomme ich meine tägliche Checkliste, die ich Schritt für Schritt abarbeiten muss. Darauf sind dann Routine-Checks, die weit im Voraus geplant werden können, aber auch Probleme, die plötzlich an einer Maschine auftauchen.

Taucht ein Problem beim Flug auf, wissen wir das eigentlich schon, bevor die Maschine gelandet ist, denn die Bordcomputer teilen uns das mit. Dann können wir schon mal Ersatzteile bestellen und die Teams aufteilen, damit vorrangig an der Lösung dieses Problems gearbeitet wird. Ich freue mich jedenfalls schon darauf, an den Cargolux-Maschinen zu arbeiten. 

Die Boeing 747: ideal für Fracht 

Die Flugzeuge der Reihe 747 aus den Fabriken des amerikanischen Herstellers Boeing gehören zu den erfolgreichsten der Welt. Seit 1968 wurden über 1.500 dieser riesigen Maschinen gebaut, die besonders sind, weil das Cockpit nicht vor dem Flugzeugraum sitzt, sondern darüber. Diese Bauweise macht die Boeing 747 besonders interessant für Frachtflugunternehmen wie Cargolux, denn man kann sie nicht nur von den Seiten aus, sondern auch von vorne beladen.

Eine Cargolux-Maschine auf der Start- und Landebahn des Flughafens. Das rote Gebäude hinten ist der Hangar, wo die Cargolux-Flugzeuge repariert und gewartet werden. Foto: Cargolux

Die Nase des Flugzeugs kann zu diesem Zweck gekippt werden. So bekommt man auch außergewöhnlich schwere und sperrige Fracht an Bord. Bei Cargolux sind zwei 747-Typen im Einsatz, die 747-400 und die 747-8F. Die 747-8F ist das neuere Modell.

Das Flugzeug wiegt leer 183,5 Tonnen und kann 134 Tonnen Fracht aufnehmen – das ist soviel wie 20 Elefanten wiegen. Wenn das Flugzeug voll betankt und beladen ist, kann es beim Start mehr als 400 Tonnen wiegen. Es ist 76,25 Meter lang und 19,4 Meter hoch und misst von Flügelspitze zu Flügelspitze 68,45 Meter. Seine vier Motoren können es in der Luft auf 988 Kilometer pro Stunde beschleunigen. 14 dieser Flugzeuge betreibt Cargolux. 

Die Nase der Boeing-Frachter kann gekippt werden. So kann man das Flugzeug auch von vorne laden. Foto: SCRIPT

Die 747-400 ist mit 70,7 Metern Länge und 64,4 Meter Flügelspannweite etwas kleiner aber genauso hoch. Sie kann nur 113 Tonnen Fracht aufnehmen. 16 747-400 sind bei Cargolux im Dienst. Diese Flugzeuge werden nun nach und nach ersetzt.

Denn Boeing baut seit diesem Jahr keine 747-Modelle mehr. In Zukunft werden Boeing 777-8 Frachtflugzeuge in die Cargolux-Flotte aufgenommen. Diese Flugzeuge haben fast die gleiche Kapazität wie die 747-400, brauchen aber viel weniger Kerosin und sind deutlich leiser. Das Cockpit sitzt bei dieser Maschine vorne. 

Du möchtest mehr wissen über die Beladung von Frachtflugzeugen? Dann schau dir die Piwitsch-Reportage über die Arbeit einer „Loadmasterin“ an.

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