An einem sommerlichen Mittwochmorgen in der Grundschule in Fentingen sind Amélie und Joanne die Ersten im Versammlungsraum. Die beiden Schülerinnen vertreten ihre Klasse des C1 im Schulparlament. Geduldig warten sie, bis alle Schulparlamentarierinnen und Schulparlamentarier sich um den großen
Tisch versammelt haben.
Acht Schülerinnen und Schüler aus allen Zyklen sind heute im Schulparlament dabei; einer der älteren Schüler, Loris, macht sich Notizen zu den besprochenen Themen. Sein Bericht dient dazu, die gesammelten Ideen aufzuschreiben, damit sie nicht verloren gehen. Die Lehrerinnen Laury Bach und Lynn Hettinger vertreten zusammen mit Schulpräsident Laurent Schoder die Lehrerschaft. Das Sagen haben aber die Kinder.
Sechsmal pro Schuljahr versammelt sich das Schulparlament der Fentinger Schule. Für jede Sitzung gibt es ein Thema. Heute überlegen sich die Schüler und Schülerinnen, was im Schulgarten verbessert oder verschönert werden kann.
Das Schulparlament funktioniert ähnlich wie das Parlament einer Demokratie: Die Vertreterinnen und
Vertreter der Schule, also die Kinder und die Lehrenden, werden für ein Schuljahr gewählt. Sie bringen die Ideen aller anderen Kinder ihres Zyklus mit in die Versammlung. Jeder darf die gesammelten Ideen und Vorschläge vortragen. Ihnen wird zugehört und alles wird notiert – so wie im luxemburgischen Parlament. Hier werden aber nicht nur Vorschläge gemacht. Auch Probleme werden angesprochen, z. B. fehlende Rücksichtnahme der älteren Kinder gegenüber den Neuankömmlingen. Ziel ist es, gemeinsam eine Lösung zu finden.
Durch dieses System der Schülervertreter und -vertreterinnen bekommen alle Kinder die Chance, ihr Recht auf Mitsprache und Mitbestimmung wahrzunehmen. Ihr wollt ein größeres Tor zum Fußballspielen? Sagt es den gewählten Vertreterinnen und Vertreter eurer Klasse! Ihr seid es leid, im Schulhof ständig von den Älteren angerempelt zu werden? Hier könnt ihr es sagen und um Hilfe bitten.
Kaum hat Lehrer Laurent Schoder die Sitzung für eröffnet erklärt, drängen sich die jungen Parlamentarier und Parlamentarierinnen darum, ihre Punkte vorzutragen. Es geht heute also um den Schulgarten.
Lara ist zuerst dran. Die Kinder ihres Zyklus wünschen sich eine Vogelscheuche. Diese soll nicht fertig gekauft, sondern von den Kindern selbst gebastelt werden. Mehr Pflanzen für den Schulgarten und mehr Spiele für die Pausen fände ihr Zyklus auch gut, sagt Lara.
Naz vom C3.2 schaltet sich ein. Auch sie hat eine ganze Liste mit Vorschlägen für den Schulgarten mitgebracht: öfter in den Schulgarten gehen und auch Blumen pflanzen, nicht nur Gemüse oder Beeren. Und, so Naz weiter: „Ich glaube nicht, dass es möglich ist, aber wir möchten auch Tiere im Schulgarten halten.“
Die Lehrerinnen und der Lehrer schmunzeln, dieses Anliegen scheint nicht zum ersten Mal vorgebracht worden zu sein. Darauf erwidert Laurent Schoder: „Ich hatte euch schon erklärt, dass Kaninchen und Meerschweine auch während der Ferienwochen gefüttert und versorgt werden müssen. Das ist also nicht so einfach umzusetzen, weil ihre alle im Urlaub seid.“
Andere Ideen auf der Schulgartenliste sind ein größeres Insektenhotel, ein Baumhaus mit Rutschbahn, eine Schaukel, ein Teich mit Fischen, ein Bällebad, ein Gewächshaus und ein Vogelhaus.
„Die Klassen könnten auch gemischt in den Schulgarten gehen, also Kinder aus dem C4 mit Kindern aus dem C2 zum Beispiel“, so ein weiterer Vorschlag. Hauptsache, sie gehen alle hin, denn auch das wird mehrfach angemerkt: Der Schulgarten wird allgemein nicht oft genug besucht.
Ketti-Leeni wirft noch ein, dass mehr Sitzgelegenheiten für den Schulgarten gebraucht werden.
Die Erwachsenen achten darauf, dass von jedem Kind aus jedem Zyklus etwas beigetragen wird. Hugo und Loris bemerken, dass es toll wäre, einen Chillplatz zum Lesen im Schulgarten zu haben, natürlich mit bequemen Sitzgelegenheiten. Des Weiteren möchten sie Apfel- und Kirschbäume pflanzen und eine Schaukel aus einem Reifen basteln. Genau wie andere Klassen es vorgeschlagen hatten, kommen Kaninchen und Meerschweine sowie ein Weiher zur Sprache. Etwas anspruchsvollere Vorschläge sind ein „fliegendes Schwimmbad“ und eine Achterbahn.
Zu den Vorschlägen gehören noch eine Kiste mit Gartenkleidern und Wasserbomben-Ballons. Und am Ende, etwas zögerlich, die Bitte um eine Schulkatze.
Während des ganzen Gesprächs fällt auf, dass die jungen Schülervertreterinnen und -vertreter sehr diszipliniert sind, zuhören, niemanden unterbrechen oder gar auslachen. Loris, ein Schüler des C4, ist beauftragter Sekretär.
Er tippt alles stichwortartig in ein Tablet, damit später ein Bericht der Sitzung des Schulparlaments verfasst werden kann. Dieser Bericht wird an alle Lehrer und Lehrerinnen verteilt, so dass am Ende die ganze Schule weiß, was im Schulparlament besprochen wurde.
Trotz dieses Protokolls müssen alle gut zuhören: Nach der Parlamentssitzung informieren die Ver treter und Vertreterinnen ihre jeweiligen Klassen über den Verlauf des Schulparlaments.
Der zweite Punkt auf der Tagesordnung sind allgemeine Belange der Schule:
Die Linie vor dem Fußballtor ist nicht mehr klar zu erkennen und muss erneuert werden, damit der Strafraum klar ersichtlich ist. Diese Bitte wird an einen Verantwortlichen von der Gemeinde weitergeleitet.
Die Kinder würden sich freuen, wenn der im Schulhof installierte Wassermatrose wieder Wasser spritzen würde, und viele wünschen sich nach wie vor ein größeres Fußballtor.
Amélie aus dem Cycle 1 berichtet, dass das Laufverbot im Schulhof noch immer missachtet wird. Gemeinsam wird über eine Möglichkeit nachgedacht, wie ältere Kinder sensibilisiert werden können. Es ist wichtig die Kleinsten nicht durch unachtsames Laufen umzuwerfen.
Auf Nachfrage bestätigt die junge Schülerin auch, dass das Problem mit dem Müll auf dem Schulhof noch nicht behoben ist. Auch der Naturbeauftragte hat nicht viel daran ändern können, dass nach den Pausen der Schulhof aussieht wie eine Müllhalde. Dass die Kinder aus dem Kindergarten dann aufräumen müssen, sei unfair, so Amélie weiter. Für das nächste Schuljahr und die künftig gewählten Schulparlamentarierinnen und -parlamentarier gibt es also jetzt schon genug zu tun.
Während der Sitzung des Schulparlaments werden alle Ideen, sogar die scheinbar unmöglichsten, ohne Bewertung aufgenommen. Alle Meinungen, Anliegen und Sorgen der Kinder werden ernst genommen. Dass die Arbeit im Schulparlament Früchte trägt, zeigt zum Beispiel ganz konkret die Leseecke mit Sitzgelegenheit im Schulhof: Hier stehen Bücher griffbereit in einer Telefonkabine. Die Idee geht auf das Schulparlament von vor zwei Jahren zurück. Vielleicht wird im Fentinger Schulgarten bald eine tolle Vogelscheuche wohnen und man kann vom neuen Baumhaus aus die Blumenpracht neben dem Gemüseanbau im Garten genießen.
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